Wann man sein Thema im Blick behält - und wann nicht unbedingt
Wer einen Text schreibt, hat ein Thema. Ein Ziel. Und behält es im Blick. Das ist wichtig, wenn man etwas vermitteln möchte, eine Meinung darlegen oder mit einem Beitrag unterhalten. Dann sollte nicht der Weg das Ziel sein, sondern für die Leserinnen und Leser in jeder Zeile klar bleiben, worum es geht. Eine Polemik zum Klimawandel zerfasert unnötig, wenn die Autorin oder der Autor sich mittendrin zwei Absätze über das Liebesleben der Polarbären gönnt, mögen sie auch noch so pfiffig formuliert sein. Wer in einer Rezension am Anfang und am Ende analysiert, was genau am Konzertabend so beeindruckend war, hat das Ziel aus den Augen verloren, wenn sich der restliche Artikel mit der Biografie des Dirigenten beschäftigt.
Auch textliche Slalomfahrten mögen irgendwann zur Zielgeraden führen, nehmen aber sinnlose Umwege und verlieren früher oder später zunächst Aufmerksamkeit und dann Interesse des Publikums. Also bitte nie vergessen, warum man angefangen hat, einen Beitrag zu tippen.
Nur für eine Textform gilt etwas völlig anderes: In der journalistischen Berichterstattung – nicht für einen Kommentar oder eine Glosse – ist eine gewisse Flexibilität unabdingbar. Journalismus berichtet, zählt recherchierte Fakten auf, ist Überbringer der Wahrheit. Sollte sich in der Recherche ergeben, dass der vermeintliche Lokalpolitskandal nur ein Missverständnis war, dann ist eben das die Wahrheit. Wenn sich herausstellt, dass das angebliche Verbrechen lediglich ein Gerücht ist, ändert sich das Thema des Artikels grundlegend. Wer journalistisch schreibt, orientiert sich an tatsächlichen Begebenheiten. Und zwar unbedingt, also auch dann, wenn dadurch der geplante Aufmacher als kurze Meldung endet oder gar überhaupt nichts Verwertbares dabei herauskommt.
„Tot recherchiert“ ist ein Prädikat, dass sich niemand für den Text wünscht, in den vielleicht stundenlage Arbeit geflossen ist. Aber sowas passiert. Und es gehört zum Wesen des Journalismus, der sich die Realität nicht zurechtbiegt, damit das Thema erhalten bleibt. In der Recherche darf der Blick nicht nur schweifen. Er sollte es sogar.
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