Der Sekretärinnenblick
Schlussredaktion ist ein Die-meisten-kriegen-irgendwann-einen-Herzkasper-Geschäft. Denn Schlussredaktion ist meist zeitstressig und oft genug ungeliebt, außerdem bekommt sie gern die Schuld zugewiesen. Und dann sind da noch die Sekretärinnen …
Ich schreite die einzelnen Punkte mal ab.
Zeitstress: Die Schlussredaktion kommt am Schluss und der ist meist arg nah dran am Ende, also am Abgabetermin punkt 16:59 Uhr.
Ungeliebt: Dazu bitte kurz vor Augen führen, dass der Text fertig im Layout steht und bereits bei Textchef*in und Chefredaktion durch ist. Und dann kommen die Besserwissies und finden etwas unlogisch. Wer mag das schon.
Schuld: Es stimmt, die Schlussredaktion soll verbliebene Fehler herausnehmen. Sind also am Ende noch welche drin, ist das unschön. Aber alle Textprofis wissen: Es kann keine 100%-Garantie geben. Trotzdem nagen übersehene Fehler an Ehre und Herz.
Die Sekretärin: Sie schneit aus einem Grund rein, guckt zufällig auf den Proof und entdeckt in der Headline sofort das zuviele n oder das fehlende s oder das doppelte Leerzeichen. Sie wird gelobt, ihr wird gedankt, sie fühlt sich gut: „Ach, irgendwie hab ich einen Blick dafür. Dabei war das doch schon in der Schlussredaktion, oder…?!“ – Grrr! Ja, und die Schlussredaktion hat mindestens 50 Fehler rausgeholt und das falsche Alter bemerkt und den Seitenverweis korrigiert und, und, und. Aber …
Der Tipp
Hier soll es ja um Tipps gehen. Also heißt es, von der Sekretärin zu lernen.
Sie kannte den Text nicht, hat sich im Vorfeld über nichts in oder an ihm geärgert, sie konnte ihren Blick völlig frei und ungezwungen über die Seite schweifen lassen.
Diesen inneren Zustand gilt es zu erreichen, bevor du ein letztes Mal über die Seite schaust und die Überschriften und Bildunterschriften noch einmal unter die Lupe nimmst.
Noch ein Tipp: Wenn du eine Sekretärin zur Hand hast, lass sie auf die Headlines blicken. Sollte sie ein er sein, auch.
#365schreibtipps #effektiverschreiben