„Schreiben als Beruf“ hat sie zum Thema „Copy and Paste“ befragt.
Bei Ihnen sind aber (nicht selten?) die Schreibenden selbst die Auftraggeber für Plagiatsprüfungen. Warum?
Tatsächlich wenden sich fast ausschließlich Schreibende für Plagiatsprüfungen ihrer eigenen Arbeiten an mich, meist Studierende bevor sie abgeben. Das war und ist erklärtes Ziel meiner Agentur, meine Dienstleistungen sollen nachhaltig wirken und zwar am liebsten so, wie es der urspüngliche Zweck von Plagiatsprüfungen im universitären Bereich einmal war: für die Schreibdidaktik! Studierende bekommen von mir individuelles Feedback für Ihre Texte. Natürlich sollte das von den Betreuenden erledigt werden, das geschieht aus vielerlei Gründen allerdings nicht immer oder nicht immer im benötigten Ausmaß. Viele Betreuende sehen auch die Angst vor der Plagiatsprüfung nicht ein, letztlich wissen sie jedoch meist selbst nicht so genau, wie das alles vonstatten geht und können die Befürchtungen der Studierenden dann natürlich nicht zerstreuen.
Die berühmten Fälle haben viel Aufmerksamkeit auf das Thema Plagiate gelenkt, leider aber nicht für die richtigen Aspekte, wie ich finde. Ich betone die Unterscheidung zwischen PlagiatsprüferInnen und -JägerInnen und es ist mir sehr wichtig ausschließlich als Prüferin wahrgenommen zu werden. Alles hat seine Berechtigung, doch an diesem erwähnten Fall der zu Guttenberg-Plagiatsprüfungen sieht man meiner Meinung nach die Diskrepanz ganz besonders deutlich: Unrecht muss natürlich aufgeklärt und letztlich auch geahndet werden, die Art und Weise, wie es in den zum größten Teil anonymen Foren geschieht ist aber bedenklich.
Es kam damals zu einer „Katastrophisierung“ und reichlich Mythenbildung, gegen die ich heute nach Jahren noch arbeiten muss, aufklären über richtig zitieren und plagiieren vermeiden wurde dadurch sogar schwieriger. Nachhaltig ist es zudem kaum, denn es nützt den jetzt Studierenden wie Lehrenden herzlich wenig! Ganz im Gegenteil, vielfach wurden lediglich Notfallmaßnahmen umgesetzt (Hals über Kopf Plagiatsprüfprogramme angeschafft, good scientific practice guidelines erstellt usw.), konsistente Strategien zur Vermeidung gibt es an Hochschulen meiner Beobachtung nach jedoch noch selten.
In welchen Fächern werden Sie am häufigsten um Prüfung gebeten?
Die Anfragen sind sehr bunt gemischt! Tendenziell etwas häufiger als andere Fächer mache ich jedenfalls juristische und wirtschaftliche Texte. Auch aus den Kommunikations-, Bildungs- und vergleichenden Literaturwissenschaften und Geschichte fallen mehr Aufträge an. Seit kurzem sind es auch mehr Abschlussarbeiten aus künstlerischen Fächern und Vorwissenschaftliche Arbeiten, die neue Abiform an österreichischen höheren Mittelschulen.
Die „Vermeidung von akademischen Unredlichkeiten“ ist Ihre Mission. Welche Tipps können Sie Schreibenden geben, damit sie nicht unter Plagiatsverdacht geraten?
Auf jeden Fall sollten Studierende sich schon ganz bald während des Studium an wissenschaftliche Literatur gewöhnen: viel lesen und clever lesen ist hierfür mein Tipp! Achtet mehr auf Folgendes: Wie ist der Aufbau eines Artikels?, Wie unterscheiden sich Artikel in Journalen zum Beispiel von Buchkapiteln? Wie wird argumentiert? Wie wird fremde Info eingearbeitet? Wie werden Tabellen und Abbildungen verarbeitet? Was pickt man als Highlights für die Diskussionsteile heraus?
Auch das Zitieren kann man schon früh üben, wenn zunächst vielleicht auch in eher abgespreckter Form, indem man sich in Vorlesungen und Seminaren zu Aussagen und Informationen angewöhnt immer die UrheberInnen und Quellen zu notieren. Später, wenn man dann selbst etwas verfassen muss, zum Beispiel eine Hausübung oder Seminararbeit, kann man versuchen Feedback zu Zitation und formellen Aspekten einzufordern, häufig bleibt es ja, wenn es gut geht, nur bei inhaltlichen Rückmeldungen. Fragt etwas wie zum Beispiel: Habe ich den geforderten Zitierstil gut umgesetzt (wenn keiner gefordert war, was leider immer noch häufig der Fall ist, einfach einen auswählen und mal ausprobieren)?, Was könnte ich an Aufbau und Argumentationsform verbessern? War die gewählte Literatur stimmig oder ginge es noch besser? usw. Machen das die ProfessorInnen nicht, dann ältere Studierende um Hilfe fragen.
Geht rasch in Schreibgruppen oder zu SchreibtrainerInnen, wenn das alleine Schreiben nicht so gut klappt. Und bitte bitte bitte, mein wichtigster Tipp: beginnt früh und stellt Euch einen konkreten Zeit- und Arbeitsplan mit Zeitpuffern für Eure Abschlussarbeiten zusammen! Ich bekomme nämlich immer wieder Erstentwürfe für Plagiatsprüfungen gesandt, mit dem Hinweis „Ich hoffe es klappt noch, weil ich in drei Tagen abgeben muss!“ Da denke ich mir immer und ich merke es den KundInnen gegenüber auch an: Ja, die Plagiatsprüfung ist halbwegs rasch gemacht, aber wie wollt ihr das alles in drei Tagen überarbeiten?! Selbst wenn ich nichts finden sollte, was formell verbesserungswürdig wäre, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, so kurzfristig noch ein gesamtes Lektorat ordentlich durchzuziehen! Stellt euch nicht selbst ein Bein und lasst euch auch genügend Marge für Korrekturen!
Wie kamen Sie zu diesem Beruf? Glauben Sie, dass es in Zukunft wesentlich mehr Dienstleister geben wird, die sich auf die Prüfung von Plagiaten spezialisieren werden?
Ich arbeite seit Anfang 2010 in diesem Gebiet, damals hatte ich an einer Hochschule ein Zweijahresprojekt geleitet, worin ich für den Aufbau eines internen Workflows für Plagiatsprüfungen und Auswahl der Prüfprogramme zuständig war. Ich komme also im weitesten Sinne aus dem Projektmanagement-Bereich. Seit 2012 bin ich als freiberufliche Science Counsellor (Wissenschaftsberaterin, eine Berufsbezeichnung, die es so nur in den USA und teilweise in Großbritannien gibt), tätig, habe mir meinen Beruf also selbst entwickelt! Plagiatsprüfungen sind nur ein kleiner Teil meiner Arbeit, insgesamt beschäftige ich mich mit allen möglichen Formen von akademischen bzw. wissenschaftlichen Unredlichkeiten und deren Vermeidung.
Das ist für dieses Tätigkeitsfeld eine verhältnismässig lange Zeit! Nach den diversen Skandalen, die ab 2010 die Hochschullandschaft ordentlich durchgerüttelt hatten, stieg auch die Zahl der AnbieterInnen von „Plagiatschecks“. Ich finde es sehr gut, dass Studierende nun mehr Hilfestellungen haben! Die Qualitätsunterschiede, die mir berichtet werden, sind allerdings grotesk: Da bieten gar nicht wenige Leute um 5 bis 10€ eine Überprüfung an, schnalzen ein Dokument ohne jegliche Beachtung von Datenschutz-, Urheber- oder Persönlichkeitsrechten in kostenlose Portale und Programme und senden deren automatische Ergüsse dann an die KundInnen. Arbeitsaufwand = Null! Effekt = Null! Feedback = Null! Eine Unverschämtheit! Das bestärkt mich nur noch mehr weiter aufzuklären: Plagiatsprüfungen als das zu zeigen, was sie sind – nämlich nette Hilfsmittel, die zwar jede/r verwenden kann, deren Hintergründe man aber schon gut verstehen muss, um etwas Positives damit zu bewirken!
Laut Guttenplag befinden sich auf mehr als 90 Prozent der Guttenbergschen Doktorarbeit rund 1200 Plagiatsfragmente. Die alle zu entdecken hat die Initiatoren und ihre Unterstützer eine Menge Zeit gekostet. Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Manuskript enthalten? Können Sie den Prüfprozess Schritt für Schritt umreißen?
Das ist eine komplett andere Form der Plagiatsprüfung, als ich sie durchführe! Das kollaborative Erarbeiten von Textgutachten ist mit einem enormen Aufwand verbunden, Hut ab vor der Leistung! Für den „alltäglichen“ Gebrauch ist das nicht möglich zu vollbringen – und auch gar nicht nötig! Man muss für den „Alltagsgebrauch“ nämlich nicht alles finden, was nicht passen könnte, Ziel ist Anhaltspunkte für allfällige Korrekturen zu finden und dafür reichen einige Stunden zur Genüge!
Wenn ich ein Dokument zur Überprüfung bekomme, checke ich zunächst die „Geschichte“ kurz ab: wer will das warum machen lassen? Für mich ist es wie erwähnt wichtig, nicht irgendwen bei unlauteren Methoden zu unterstützen, es sollen nur die tatsächlichen UrheberInnen profitieren. Außerdem kann ich effektiver unterstützen, wenn ich weiss, wo Probleme lagen oder liegen (keine Betreuung gehabt, unsicher, was die Plagiatsprüfung finden könnte, fremdsprachige Texte nicht gut verstanden, nicht klar, ob man eventuell doch unabsichtlich plagiiert hat, usw.).
Der Ablauf ab Beauftragung ist dann relativ simpel, aber mitunter schon etwas langwierig: Ich speise die Dokumente ohne Literaturlisten und Verzeichnisse in ein Prüfprogramm meiner Wahl. Die wenigen halbwegs guten Tools gleichen dann in wenigen Minuten bis ein oder zwei Stunden (selten auch über Nacht bis 24 Stunden lang) diesen Originaltext mit anderen Texten ab, die entweder online oder in Archiven von Bibliotheken, in Repositorien anderer NutzerInnen wie Hochschulen, in Journal-Datenbanken usw. sind. Dann wird mir ein automatischer Prüfbericht geschickt. Online begutachte ich diesen und klicke alle „false positives“ weg, also die „Fehlalarme“.
Die entstehen vor allem, weil Plagiatsprüfprogramme nur Texte vergleichen können und alles anzeigen, was ähnlich ist – NIEMALS werden sie aber Plagiate anzeigen! Das ist eines der größten Irrtümer, leider auch, weil der Name so schlecht vergeben wurde (Textanalyseprogramm klang vielleicht nicht marktschreierisch genug?). Jedenfalls „entscheidet“ ein Programm nicht, was formell richtig und falsch ist an einem Text, das müssen schon die NutzerInnen machen! Dieser vermeintlich absolut objektive Prozess ist also durchaus subjektiv, es werden nur Relationen gezogen, verglichen!
Ist das abgeschlossen, kann ich den Bericht erneut begutachten und beginnen meinen eigenen Korrekturbericht zu erstellen. Dadurch bekommen die KundInnen ganz konkrete Anmerkungen, welche ART von Funden in IHREM Text vorkamen und auch RELEVANT sind. Sehr häufige Fehler sind zum Beispiel, dass direkte Zitate äußerst großzügig gesetzt wurden, aber ganz offensichtlich ohne Sinn dafür, welch enorm starkes Highlight so etwas tatsächlich ist! Vielfach sind sie zudem noch gesetzt, ohne dann besprochen worden zu sein, was auch inhaltlich völliger Schwachsinn ist. Auch bei Abbildungen und Grafiken stolpern viele, weil sie fremde Inhalte nicht zitieren oder es nur zum „schön Aussehen“ setzen, denn sie besprechen es dann nirgendwo.
Meine Rückmeldung in solchen Fällen: bitte alle direkten Zitate bzw. Abbildungslegenden kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren! Damit sei auch gleich dem möglichen Gegenwind die Puste genommen – einzelne Fundstellen merke ich fast nie an, damit das dann umgeschrieben nicht die Plagiatsprüfprogramme „austricksen“ könnte. Zwar sehe ich selbst darin wenig Probleme, aber das rein punktuelle Ausbessern macht keine besseren Texte, das wollen meine KundInnen aber in aller Regel erreichen.
Das Internet und der unbeschränkte Zugang zu Informationen, die sich per Copy-und-Paste bequem in eigene Texte einbauen lassen, ist verlockend. Stichwort: Content Spinning und Paraphrasieren. Wie können Sie unterscheiden, ob ein Text den eigenen Überlegungen und Folgerungen entspringt oder ob er tatsächlich eine umgeschriebene Formulierung eines anderen Autors ist?
Das ist für mich fast nicht möglich zu erheben, da stößt die Plagiatsprüfung an ihre Grenzen! Inhaltliches ist Sache der Betreuenden zu erkennen und anzumerken. Diese sind es ja auch, die die Entwicklung der Themen und der Texte inklusive Arbeitsstil der jeweiligen Studierenden kennen (oder kennen sollten)! Für die Bewertung von Paraphrasen braucht es Fachpersonen (Betreuende oder auch FachlektorInnen) – ab hier halte ich mich mit meinen Services zurück.
Was passiert, wenn Sie ein Plagiat entdecken? Ich nehme an, es kommt darauf an, wer die Prüfung veranlasst hat, oder? Ist die Entdeckung meldepflichtig, wenn es beispielsweise einen bereits promovierten Verfasser betrifft?
Ja, kommt drauf an, wer beauftragt hat. Zum Einen gibt es „das Plagiat“ praktisch nicht! Plagiate kommen in vielen Formen und Abstufungen daher! Ein Vollplagiat wäre theoretisch eine bereits einmal eingereichte Arbeit, auf die jemand seinen Namen kopiert hat. Das verstehe ich unter einem reinen Plagiat, das kommt allerdings zum Glück nur sehr sehr selten vor! Ich habe das jedenfalls noch nie gesehen. Würde ich so etwas oder auch seitenweise abgeschiebenen Text (eine unleugbar absichtliche und dreiste Handhabe, für die es keine Entschuldigung gibt, ich habe nur eine einzige Ausnahme erlebt), entdecken, kann ich zunächst nichts offiziell machen, da die meisten meiner KundInnen wie erwähnt noch nicht eingereicht haben und somit noch niemandem ein Schaden entstanden ist.
Ich würde allerdings natürlich schärfstens auf die Gesetzeslage hinweisen und darüber aufklären, dass ich es als meine Pflicht ansehe, sollte ich Wind davon bekommen, dass das in der Form doch eingereicht würde, die jeweilige Hochschule darauf aufmerksam zu machen. Solche KundInnen habe ich in vier Jahren Selbstständigkeit aber noch nie gehabt, und nur ein einziges Mal eine unverschämte Anfrage einen solchen miesen Text zu „schönen“, sprich „ein wenig Ghostwriting“ zu betreiben. Der Herr hat nach meiner heftigen Reaktion Reißaus genommen und ist hoffentlich noch zur Vernunft gekommen!
Meine KundInnen wollen etwas anderes – wirkliche Unterstützung! Viele haben sich alleine durch das Thema gequält, wollen nur noch das Beste daraus machen, sind verunsichert durch die vielen Medienberichte über schlimme Folgen bei Plagiatsverdacht und dergeichen. Besonders die Bachelorstudierenden wollen auch etwas dazulernen, die meisten machen schließlich häufig sofort im Anschluß noch ein Masterstudium und da wollen sie mehr können, besser schreiben, schneller abschließen.
Im anderen Fall bekäme ich eine bereits approbierte Arbeit nur von der Hochschule selbst und da bestünde bei ihnen ja schon Verdacht. Da wäre dann Ziel meine Arbeit so viele Anhaltspunkte wie möglich zu finden, dass und wie jemand zu betrügen versucht hatte.
Natürlich dürfen zwei Fragen nicht fehlen: Was war Ihr dreistester Fall? Und was waren die dämlichsten Entschuldigungen von Textklauern?
Wirklich unverschämt war der Herr mit dem „Ghostwriting-Überarbeitungswunsch“. Ansonsten gab es nur einen weiteren spannenden Fall, wo ich extrem hohe Ähnlichkeitswerte (45%, wenn ich mich richtig erinnere) geliefert bekam und es zunächst nach ganz schlimmem Plagiat in der Einleitung einer Dissertation aussah, 15 oder mehr Seiten fast ausschießlich kopiert. Schreckliche Situation! Mein damaliger Chef hatte Aggessionsschnappatmung der heftigsten Art!
War auch alles kopiert, aber nicht mit Absicht! Nach einem langen ernsten Gespräch mit dem Studierenden sind wir nämlich drauf gekommen, woran es gelegen hat: Der Studierende kam aus Asien, wo der Umgang mit Texten und dadurch auch mit Zitaten deutlich anders gehandhabt wurde, als bei uns. Gut klingende Aussagen und Textpassagen zu finden wird gelehrt, je besser man diese dann zu einem neuen Text verarbeiten kann, umso bessere Noten bekommt man. Doch selbst denken und eigenständig schreiben ist nur etwas für PhilosophInnen. Dass es hier in Österreich nicht so ist, war dem Mann einfach nicht bewusst, er hatte zuvor ja noch nie einen Text bei uns eingereicht!
Das war augenöffnend! Wir vergessen gerne, dass der Nabel der Welt weder die USA noch Europa und deren Wissenschaftssysteme sind, auch wenn heutzutage fast nur noch auf Englisch publiziert wird. Es gibt viele andere Wissenschaftskulturen und Sozialisierungen von AkademikerInnen und dadurch sind auch Wertevorstellungen von Originalen und deren Verwendungsformen manchmal anders gelagert!
100 Prozent authentisch! Vielen Dank für Ihre Antworten!
Das Interview führte Barbara Stromberg // „Schreiben als Beruf“