Über Morgenseiten mit einem Tintenfisch
Gestern erzählte ich von meinem Traum mit dem Tintenfisch. In dem Beitrag ging es um Cliffhanger. Träume können die übelsten Cliffhanger sein, da wir oft an den spannendsten Stellen aufwachen und nie erfahren werden, wie die Geschichte weitergeht. Was mit dem Tintenfisch in dem Traum passierte, weiß ich leider nicht mehr. Aber nach dem Aufwachen bekam er einen zweiten Auftritt. Und zwar in meinen Morgenseiten.
Die Morgenseiten sind eine intuitive Schreibmethode, die die Künstlerin, Autorin und Lehrerin Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ empfiehlt. Jeden Morgen noch vor dem Aufstehen schreibt man drei Seiten ohne Absetzen, ohne Ablenkung. Über alles, was einem in dem Moment durch den Kopf geht. Gedanken, Gefühle, Beobachtungen, Vorhaben, Leere und eben auch Träume. Es geht nicht darum, wie und was man schreibt, sondern nur, dass man schreibt. „Man kann die Morgenseiten nicht auf die falsche Art schreiben“, so Cameron.
„Oft werden Sie sich selbst bemitleiden, sich wiederholen; Ihr Text wird gestelzt oder kindisch klingen, wütend oder sanft und manchmal sogar albern. Das ist gut so!“, macht Cameron ihren Leser:innen Mut. Denn genau diese Gedanken, Gefühle, Selbstkritik können uns den Zugang zu unserer Kreativität versperren. Die morgendlichen Seiten dienen sozusagen zur Gehirnentleerung, um den Zugang wieder freizulegen.
Meine Morgenseitenroutine praktiziere ich seit einem halben Jahr. Das Notizbuch liegt immer griffbereit auf dem Nachtschrank; eine halbe Stunde Zeit brauche ich in etwa. Wenn es fließt, auch mal mehr. Ich bin absolut kein Morgenmensch, aber für diese Schreibroutine gewöhnte ich mir an, morgens den Wecker eine halbe Stunde früher als notwendig klingeln zu lassen. Ich starte klarer und bewusster mit den Morgenseiten in den Tag und vor allem: schreibend.
Manchmal sind auch kleine Rohdiamanten dabei, die ich unterm Schreibtischlicht dann schleifen kann. Wie der Tintenfisch aus meinem Traum. Durch die Morgenseiten bekam er nicht nur einen zweiten Auftritt, sondern fand seinen Weg in zwei Blogposts, eine Zeichnung und vielleicht noch in eine Kindergeschichte.
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