Müssen Geschäftstexte englisch klingen, um gut zu sein?
Als Freiberufler Texte für Unternehmen zu schreiben ist eine sehr spezifische Aufgabe und nur dann erfolgversprechend, wenn er oder sie mit viel Branchenwissen ausgestattet ist. Bisweilen lautet der Auftrag an die Texterin bei Präsentation des Manuskriptes daher: „Da müssen mehr Fachbegriffe rein. Der Artikel (Lagebericht / Presseinfo / Newsbeitrag) überzeugt unsere Kunden und Investoren nicht.“ Statt Investoren fallen womöglich die Ausdrücke „Stakeholder“ und „Shareholder“. Wenn das gelieferte Company Brief in etwa so lautet:
Um der Volatility und Ambiguity unserer globalisierten Welt Rechnung zu tragen, leitet die Organisation umfangreiche Changeprozesse ein und erwartet von allen High-Level Managern ein Diversity-orientiertes Mindset. Dies soll nach dem Verständnis des Chief Executive Manager zu einer New Leadership in allen Bereichen führen. Mitarbeiter*innen werden auf Basis des Agile Thinking empowered ….
…, dann ist trotz Fachverständnis des Urhebers ein Branchenkauderwelsch und Sprachbrei entstanden.
Die Aussagen des Unternehmens sollen attraktiv und modern rüberkommen? Ja, klar. Der Autorin von Business-Texten stellt sich die Frage, wie viele Anglizismen und Denglisch-Wörter das geschriebene Produkt verträgt. Dieser Aspekt ist neben anderen Verständlichkeitsparametern[1] gerade für Inhalte von Websites, Stellenanzeigen, Geschäftsberichten etc. international agierender Konzerne, von Startups wie von Mittelständlern zu prüfen.
Entscheidend ist in den meisten Fällen:
- Wer ist die Zielgruppe des Schriftstücks?
- Wie treffend ist die Formulierung in pur deutscher Version?
- Was ist in der Branche üblich?
- Will sich der Auftraggeber des Geschäftstextes vom Branchenslang abheben oder im Mainstream mitschwimmen, also lieber den scheinbar unumgänglichen Gepflogenheiten entsprechen und sich auch einen modernen, jugendlichen Anstrich geben?
Angewandt auf diesen Schriftsatz könnten die Antworten folgende sein:
- Zielgruppen: andere Texter, Wortexpertinnen, Auftragsschreiber, Textkünstlerinnen, Marketing-Verantwortliche, Werbetexterinnen
- Dies ist ein „Blogpost“: Wie ließe sich das noch ausdrücken? Blog kommt von Weblog und nach der Etymologie handelt es sich also hier um einen Journaleintrag, was recht technisch klingt. Vielleicht einfach ein Tipp, ein Artikel mit Empfehlungscharakter, eine Fachinformation? Gar nicht endgültig zu beantworten, ob „Blogbeitrag“ so ohne Weiteres treffend zu ersetzen ist.
- Modern und jugendlich muss dieser Schreibtipp nicht daherkommen, eher nützlich und sinnvoll, klassisch verwendbar also.
Fazit: Sofern es ein brauchbares deutsches Pendant gibt, lieber auf den Anglizismus verzichten. Der Sprachpurismus sollte nicht zu weit getrieben werden. Denn: Der weitsichtige und SEO-erfahrene Autor stellt sich nicht komplett gegen wirklich treffende, knackige englische Ausdrücke. Ziel des Textes ist es allemal, den Lesenden den Sachverhalt verständlich, präzise und unterhaltsam nahezubringen.
Und dem auftraggebenden Unternehmen darf die Texterin als Außenstehende, die stets den Lesernutzen im Auge behält, beim Verfassen der Geschäftstexte von Zeit zu Zeit einen dezenten Hinweis geben, dass Otto Normalverbraucher oder Maximiliane Mustermann klipp und klar in astreinem Deutsch lesen und verstehen möchte, was das Unternehmen zu sagen hat.
[1] Hohenheimer Verständlichkeitsindex, vgl. https://klartext.uni-hohenheim.de/hix
#365schreibtipps #besserschreiben