Im Mai 2018 erschien ihr erstes Buch im Springer Verlag: Der Anti-Stress-Trainer für Assistenzen*.
„Schreiben als Beruf“ hat sie zum Thema „Kommunikation als Top-Assistenz“ befragt.
Nein, ganz sicher nicht. Das Berufsfeld der Assistenz ist weiter stark im Wandel. Die Assistenz wird mehr in die Sachbearbeitung bzw. in das Projekt-Management mit einbezogen. Während die Reisebuchung und Terminplanung einfacher geworden sind, nimmt die Bearbeitung der Korrespondenz deutlich mehr Zeit in Anspruch. Die Welt ist derartig digital-verrückt geworden, dass die Informationsflut regelrecht von allen Seiten auf die Assistenz einprasselt. So ist heute ein strukturiertes Vorgehen wichtiger denn je. Auch das Erkennen der oberen Prioritäten ist eine hohe Kunst.
Nimmt die geschäftliche Korrespondenz im Office Management einen geringeren Stellenwert ein, weil das Berufsbild der Sekretärin mehr Organisationstalent, technisches Verständnis und vor allem bei Top-Level-Assistenzen auch ein grundlegendes betriebswirtschaftliches Know-how erfordert?
Wie soeben beschrieben ist die Korrespondenz nach wie vor der Schwerpunkt im Sekretariat. Durch die technischen Errungenschaften ist auch die Kommunikation an sich deutlich komplexer geworden. Daher kommt man um ein technisches Verständnis heutzutage nicht mehr drumherum.
Aber wo Fluch ist, da ist auch Segen: So sollte man sich die Technik zunutze machen, um mit der höheren Taktzahl zurechtzukommen. Während man früher sehr kreativ, ja sogar erfinderisch in organisatorischen Dingen sein musste, spuckt das Internet heute durch die Stichwortsuche eine Fülle an Ideen aus. Dazu unterstützt es uns mit vielen Anleitungen und hält zahlreiche Tipps und Tricks bereit. Das erleichtert nicht immer, denn wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual.
Ob betriebswirtschaftliches Know-how erforderlich ist? Als ich noch als Vorstandsassistentin gearbeitet habe, wurde mir schon vor Augen geführt, dass eine Top-Assistenz eine Bilanz lesen können sollte. Je mehr Kenntnisse sie in BWL hat, desto einfacher kann sie die Strategie des Unternehmens verstehen und entsprechend ihren Beitrag dazu leisten.
Sie sind Coach für Top-Assistenzen der Geschäftsführung. Wodurch zeichnet sich aus Ihrer Sicht die Kommunikation einer Top-Assistenz mit Kunden und Geschäftspartnern aus?
Da darf ich Sie korrigieren: Mein Ziel ist es, aus Assistenzen Top-Assistenzen zu machen.
Eine Top-Assistenz kommuniziert sehr bewusst mit Geschäftspartnern. Sie ruft nicht einfach an und plaudert drauf los. Sie überlegt, ob und was sie sagt, wann sie es sagt und wie sie es sagt. Der Unterschied ist neben dem Filtern und der gewissenhaften Weitergabe, dies mit dem Blick auf das große Ganze zu tun. Das heißt zu wissen, was bei welcher Handlung passiert, welches Ausmaß das einnimmt, ergo welche Bedeutung dieses Gespräch hat – für das Unternehmen, den Chef und natürlich für die Assistenz selbst.
Welche Vorteile hat es für eine Sekretärin, einen Sekretär oder eine Assistenz allgemein, wenn sie oder er geschult in der Kommunikation ist und weiß worauf, es bei der Korrespondenz mit Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern ankommt?
Sie wird im Zwischenmenschlichen sehr erfolgreich sein, womit sie sich als Leistungsträger im Unternehmen positioniert, was wiederum ihr den Job versüßen dürfte.
Lassen Sie mich das gern etwas ausführen: Als 9Levels®-Beraterin sind mir die unterschiedlichen Wertesysteme sehr bewusst. Diese liegen unserem Denken und Handeln zugrunde. So geht es im Zusammenspiel mit Menschen immer um die Passung. Das heißt, neben dem passenden Ton und dem passenden Zeitpunkt auch das passende Kommunikationslevel zu bedienen, um mein jeweiliges Gegenüber auch zu erreichen.
Vergleichen wir es mit einem Klavierspieler: Wenn dieser immer nur C-Dur anschlägt, wird er nur bei den Menschen ankommen, die der C-Dur zugewandt sind. Beherrscht er aber die ganze Klaviatur – also alle 88 Tasten -, dann kann er nahezu alle Menschen für sich als Zuhörer gewinnen bzw. – in unserem Fall – auch passend ansprechen. Damit ist die Assistenz, die die gesamte Bandbreite der Kommunikation beherrscht, auch wie eine Allzweckwaffe: Universell einsetzbar und immer erfolgreich. Also, wenn sie gut geschult wurde, dann ist sie sozial- und systemverträglich. Dafür halte ich als zertifizierter S.C.I.L.® Master auch ein tolles Tool bereit: Das S.C.I.L.® profile, mit welchem man sein Kommunikations-Repertoire erweitern kann.
Wie kann eine Sekretärin, ein Sekretär das eloquente Formulieren von Geschäftsbriefen oder Firmenkorrespondenz lernen? Reicht dafür die reguläre kaufmännische Ausbildung für Büro-Management, für Marketing-Kommunikation oder für Industriekaufleute aus?
Das sind gute Grundlagen, weil sie neben wirtschaftlichen Aspekten auch oft fremdsprachliche Einheiten enthalten. Neben der Beherrschung der deutschen Sprache, sind Fremdsprachen – Englisch allen voran – schon für die technischen Hilfsmittel unerlässlich geworden und erweitern unseren Wortschatz.
Überlegen Sie mal, wie vieler Worte wir uns aus anderen Sprachen bedienen. Hier mal ein paar Beispiele: es wird gemeetet, sich committed, mit hashtag gepostet. Wir wollen face to face und erledigen alles peu à peu oder step by step, manches aber auch nur en passant, dafür aber mit Charme. Dennoch sind wir stets à jour und streben nach Zeit zum Chillen. Schon alles ein bisschen bizarr und wenn jeder so pariert, dann hagelt es Komplimente vom Chef und vielleicht gibt es sogar Schokolade et cetera. Ob Anglizismen, Gallizismen oder Hispanismen – wem die geschätzten 500 000 Wörter der deutschen Sprache nicht ausreichen, findet sicher in der Fremdsprache ein passendes Wort.
Überzeugen können wir natürlich nur, wenn wir es auch selbst verstehen. Darüber hinaus sollte auch unser Gegenüber wissen, wovon wir sprechen. Generell empfehle ich für den Ausbau seines Wortschatzes, sich mit Synonymen zu beschäftigen. Ob im Netz oder direkt in MS Office mittels des Thesaurus (Shift + F7).
Als wichtige Schnittstelle zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern, Kooperationspartnern und Kunden erfordert es der Job einer Top-Assistenz, die Kommunikation zwischen diesen Ebenen zu koordinieren. Wie kann das gelingen und welche Schwierigkeiten treten häufig auf?
Begegnungen unter Menschen sind häufig von Missverständnissen geprägt. Damit Kommunikation erfolgreich sein kann, empfiehlt es sich, nicht nur aufmerksam zuzuhören, sondern unser Gegenüber auch anzuschauen, um die nonverbalen Botschaften zu bemerken. Und als Top-Assistenz muss man sich viel mehr mit den nächsten Frageebenen beschäftigen, um den Chef noch umfangreicher zu entlasten.
Ein Beispiel: Der Chef sagt seiner Assistenz, dass Müller und Schulze gefälligst die Zahlen in Ordnung bringen und eine vernünftige Darstellung abliefern sollen. Anstatt nun mit diesen spärlichen Informationen zu den beiden zu laufen, sollte sie nachfragen, um welche Zahlen es sich handelt, was ihm daran nicht gefallen hat und bis wann er diese spätestens braucht.
Darüber hinaus kann es auch unterschiedliche Interpretationen für „vernünftig“ geben. Was genau meint er damit? Einfach nur ordentlich in Spalten und Zahlen? Oder möchte er diese gar als Grafik dargestellt bekommen oder sonstwie farbig irgendwo einbinden? Möglicherweise möchte er die Zahlen jemandem präsentieren. All das sollte herausgefunden werden, bevor sie losläuft.
Und nicht immer ist der Original-Ton sozialverträglich. Daher ist die Assistenz nun gefragt, die Information zwar klar und deutlich, aber professionell weiterzugeben. Also: Richtig zuhören, filtern und dann ziel- sowie empfängerorientiert weitergeben.
Die Vorbereitung der PowerPoint-Präsentation für die Jahresbilanz, danach das Kondolenzschreiben für den langjährigen Kooperationspartner, die Koordinierung von Terminen mit den Assistenzen anderer Unternehmen, dazwischen das Abfedern von Ungemach zwischen Chefetage und Mitarbeitern, die Einschätzung, wann Verschwiegenheit angebracht ist und wann Informationsfluss notwendig – wie schafft es eine Top-Assistenz, hier immer den richtigen Ton und Takt zu finden? Geht das überhaupt?
Das ist das Besondere an dem Beruf. Ich treffe immer wieder auf Quereinsteiger, denen die Grundlagen der Sekretariatsarbeit fehlen. Um diesen Job professionell ausführen zu können, ist eine Spezialistin auf dem Gebiet des Office Managements gefragt. Sie sollte die Spielregeln im Sekretariat kennen, priorisieren können und ein gutes Einfühlungsvermögen haben. Loyalität ist das oberste Gebot. Wenn sie persönlich und strukturell gut aufgestellt, dazu ein Menschenfreund ist und auch noch ihren Job liebt, dann schafft das die Top-Assistenz spielend.
Bei all diesen Aufgaben, die an eine gute Sekretärin, einen guten Sekretär gestellt werden: Reicht die Freude am Schreiben und die Kenntnis der DIN 5008 überhaupt noch aus, um diesen Beruf zu ergreifen? Was muss man noch mitbringen?
Nein, das reicht leider nicht aus, um diesen Job zu sichern. Der Beruf der klassischen Sekretärin ist rückläufig. Durch die Einbindung in Sach- und Projekt-Aufgaben – wie schon eben erwähnt – wird auch eine Generalistin erwartet, die von allem etwas Ahnung hat, sich über ihren Arbeitsplatz auch für die anderen Belange des Unternehmens interessiert.
Und eines darf gewiss nicht fehlen: Das Dienstleister-Gen. Wer das nicht hat, hat im Sekretariat nichts zu suchen. Schließlich ist es die Grundvoraussetzung dieses Jobs.
Vielen Dank für das Interview!
Alle, die bis hier her durchgehalten haben, erhalten von Marit Zenk noch die wichtigsten Eigenschaften einer Top-Assistenz!
Merkmale einer Top-Assistenz
- kennt die Spielregeln und passt ihr Verhalten an
- versteht, dass Bring- auch Holschulden sind
- weiß, was der Chef braucht
- blickt immer wieder durch die Arbeitgeberbrille
- kennt die Antwort schon vor der Frage
- positioniert sich als Leistungsträger
- durchblickt den Nutzen eines Netzwerkes
- reflektiert sich selbst und interagiert permanent
- besitzt eine freundliche Stärke
- zeigt sich professionell: eigeninitiativ, souverän, verantwortungsvoll
- ist positiver Influenzer
- hat das große Ganze im Blick
- spielt täglich die Empathie-Karte
Das Interview führte Barbara Stromberg // „Schreiben als Beruf“
HINWEIS: Natürlich gibt es auch Chefinnen und Sekretäre, bzw. männliche Top-Assistenzen und weibliche Vorgesetzte. Aus Gründen der flüssigeren Lesbarkeit und der Statistik haben wir uns im Interview gegen Genderisierung und für die Kombination aus weiblicher Assistenz mit männlichem Chef entschieden.
Sie sind eine Chefin mit Mann im Vorzimmer? Melden Sie sich unbedingt bei „Schreiben als Beruf“, ich möchte ein Interview!!
Danke sehr!
Barbara Stromberg